Interview von Dr. Anja Hall, Legal Tribune Online und Carmen Schön 

Typisch für den Jahresanfang: Wir fassen gute Vorsätze, setzen sie allerdings nie in die Tat um. Warum wir so oft an den neuen Zielen scheitern – und wie wir sie doch verwirklichen können, möchte ich Ihnen in diesem Interview erläutern.

LTO: Den Jahresanfang nutzen viele, um sich neue Ziele zu setzen, beruflich wie privat.
Trotzdem scheitern wir oft an den guten Vorsätzen, woran liegt das?

Schön: An der fehlenden Selbstmotivation. Viele kleben sich einfach nur einen Zettel
an den Spiegel, auf dem beispielweise steht „Ich bin super, ich schaffe das!“ Ein solcher
positiver Anker ist zwar nett, und man kann sich diese Sprüche auch wie ein Mantra
immer wiederholen. Aber dauerhaft wirken sie nicht als Motivationshilfe.

LTO:  Wie macht man es richtig?

Schön: Indem man sich über das eigene Motiv bewusst wird. Das Wort „Motiv“ ist ja übrigens auch in „Selbstmotivation“ enthalten. Wirkliche Veränderungen schaffen wir nur, wenn wir
intrinsisch, also aus uns selbst heraus, tätig werden. Meine Hypothese ist,dass das nur
gelingt, wenn man sich über sein Motiv, sein Ziel und seine Wünsche klar ist. Ich rate den
Lesern daher, dass sie sich fragen: Was ist das Motiv hinter meinem Tun? Warum will ich das überhaupt machen?

„Sich über die Motive klar werden“

LTO: Können Sie das an einem Beispiel verdeutlichen?

Schön: Im Studium setzt man sich zum Jahresanfang vielleicht das Ziel, möglichst schnell alle Scheine zu sammeln und gute Hausarbeiten zu schreiben. Das allein macht natürlich wenig Freude, und es ist nicht wirklich motivierend. Aber wer sich klar macht, warum er das tut – vielleicht weil er das Studium erfolgreich abschließen, die bestmögliche Note erreichen und seinen Traumjob ergattern will – der kann sich leichter zum Lernen motivieren. Wenn man die Hausarbeiten und Scheine als kleine Schritte auf dem Weg zum Ziel betrachtet, geht es leichter.

Gerade im Jura-Studium, das sich ja so lange hinzieht und sehr lernintensiv ist, geht die
Frage nach dem Sinn gerne verloren. Sich auf die ursprüngliche Intention zu besinnen, kann dann wieder sehr motivierend sein.

„Große Veränderungen überfordern uns“

LTO: Allerdings geht der Wunsch, Topanwalt zu werden, auch nicht immer in Erfüllung.

Schön: Wir wünschen uns meistens große Veränderungen – und überfordern uns damit. Wer sich im Januar 2016 sagt, er will innerhalb von zwei Jahren Partner werden, aber bislang gar nichts dafür unternommen hat, der wird sehr wahrscheinlich scheitern. Besser wäre es, sich kleinere, überschaubare Ziele zu setzen. Werden die erreicht, sollte man diese Erfolge auch feiern. Das motiviert für das nächste Ziel.

LTO: Was raten Sie denjenigen, denen es nicht gelingt, sich aufzuraffen?

Schön: Die meisten von uns bleiben gerne in unserer Komfortzone. Ich nenne es ‚das innere Wohnzimmer‘. Da ist es schön bequem, wir kennen alles um uns herum, es ist vertraut. Es passiert zwar nichts Tolles, und Neuerungen gibt es auch keine, aber wir gehen andererseits auch keine Risiken ein und drohen nicht zu scheitern.

Raus aus dem ‚inneren Wohnzimmer‘

Wer das ‚innere Wohnzimmer‘ verlassen will, sollte sich fragen: Was waren die großen, wirklich bedeutenden Dinge in meinem Leben? Und habe ich diese innerhalb oder außerhalb meiner Komfortzone erlebt? Wer ehrlich zu sich ist, wird merken, dass die bleibenden Erinnerungen fast immer außerhalb des ‚inneren Wohnzimmers‘ entstanden sind.

LTO: Einverstanden, wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Aber wie motivieren wir uns, wenn wir scheitern?

Schön: Viele haben Angst, Fehler zu machen oder ihr Ziel nicht zu erreichen. Diese Enttäuschungen wollen wir natürlich lieber vermeiden. Man kann Niederlagen aber auch als wesentlichen Erfolgsfaktor betrachten. Wie ein Forscher, der durch das Scheitern eines Experiments lernt, wie etwas nicht funktioniert – um dadurch herauszufinden, wie es denn richtig geht. Ich glaube, dass alle wirklich erfolgreichen Menschen gerade durch ihr Scheitern zum Erfolg gelangt sind. Man muss nach den Niederlagen natürlich wieder aufstehen, das ist der Unterschied.

„Mach‘ was aus Deinem Leben“

LTO: Scheitern als Chance verstehen – das sagt sich natürlich leicht…

Schön: In unserer Gesellschaft ist Versagen und Scheitern negativ besetzt. Davon sollten wir uns frei machen. Niederlagen sind die einzige Möglichkeit, etwas zu lernen.

LTO: Wäre es eine Alternative, sich gar keine Ziele vorzunehmen?

Schön: Nein, ich denke nicht. Wir müssen uns klar machen: Das Leben ist endlich. Wir sollten uns deshalb fragen, ob wir es selbst gestalten wollen oder ob wir es zulassen, dass unser Leben durch äußere Faktoren bestimmt wird. Viele von uns lassen ihr Leben einfach
geschehen, anstatt es selbst in die Hand zu nehmen. Ich will niemandem Angst machen, wenn ich daran erinnere, dass wir nicht ewig leben. Es soll eher ein Appell sein: Mach‘ was draus!

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